So wie das Konstanzer Konzil in den Jahren 1414 bis 1418 Impulse aussandte, welche die damalige Welt veränderten, so sollte auch das erste Internationale Wirtschaftsforum der Veterinärmedizin in Konstanz vom 2. und 3. November 2023 Zeichen aussenden, welche die Arbeits- und Lebensbedingungen der Tierärzteschaft verändern: Nichts weniger als das erhoffte sich Olivier Glardon, Präsident der Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte GST, in seiner Eröffnungsrede. Die GST hat das Wirtschaftsforum zusammen mit dem Bundesverband praktizierender Tierärzte bpt und der Österreichischen Tierärztekammer ÖTK organisiert.
Zu sich selber Sorge tragen
Bereits am Donnerstagabend hatten sich zahlreiche Teilnehmende in den altehrwürdigen Räumen des Restaurants Konzil zum angeregten Austausch beim Dinner getroffen. Am Freitag stand die Wissensvermittlung im Mittelpunkt. GST-Vorstandsmitglied Samuel Schmid führte durch den Vormittag und kündigte gleich als erstes «Splitter vom Stein der Weisen für die Mitarbeitermotivation» an. Winfried Probst trat im Schamanenmantel auf die Bühne: Ein Chef, eine Chefin könne für die Mitarbeitenden noch so viele Anreize wie Gratis-Kaffee und Geburtstagskärtchen organisieren – «wenn der Chef frustriert, depressiv oder verstimmt ist, bleibt die Grundstimmung schlecht». Wer wolle, dass die Mitarbeitenden sich wohlfühlten, müsse in erster Linie zu sich selber schauen. Und in zweiter Linie gelte dann: «Die Mitarbeitenden wollen wahrgenommen werden.»
Svenja Springer, Wissenschaftlerin im Bereich der veterinärmedizinischen Ethik am Messerli-Forschungsinstitut in Wien, gab Einblicke in das Spannungsfeld zwischen Veterinärmedizin und Ökonomie. Ihr Fazit: «Die Spannungen können zwar abgebaut, nie aber zur Gänze aufgehoben werden.»
Das Beispiel Schweden
Wie Veterinärmedizin wirtschaftlich funktionieren kann, zeigte Evelina Ögren, Geschäftsführerin und Country Manager IVC von Evidensia Schweden. Das Unternehmen führt mehrere grosse Tierkliniken im Süden des Landes und kleinere Kliniken im weniger besiedelten Norden. In Schweden schliesst die Mehrzahl der Tierhaltenden eine Tierversicherung ab. Auch dadurch sei es möglich, die Qualität der Tiermedizin auszubauen: «Die Tierhaltenden verlangen weitgehende Untersuchungen, denn sie wissen, dass die Versicherung zahlt.»
Der Zukunftsforscher Georges T. Roos sagte der Tiermedizin eine blühende Zukunft voraus. Immer mehr Haushalte seien Single-Haushalte: «Damit steigt die Einsamkeit, und so werden immer mehr Leute ein Haustier haben.» Und weil der Datenschutz bei Tieren wohl weniger streng gehandhabt werde als bei Menschen, könnte die Tiermedizin die Künstliche Intelligenz wohl rascher einsetzen als die Humanmedizin, beispielsweise bei der Analyse von Röntgenbildern. «Hier könnte die Tiermedizin eine Vorreiterrolle einnehmen.»
Hanspeter Weber von der Kleintierpraxis Seegarten und Präsident der Schweizerischen Vereinigung der Arbeitgeber-Tierärzteschaft sprach über den Tierärztemangel. «Wollen wir unsere jungen Talente im Beruf halten, müssen wir ihnen Sorge tragen.» So dürften bei der Einsatzplanung Überstunden nicht im Vornherein in Kauf genommen werden, die Praxisleitung müsse die Angestellten gegenüber der Kundschaft unterstützen, und es seien klare Arbeitsprozesse nötig.
Die Podiumsdiskussion unter der Leitung von GST-Geschäftsführer Daniel Gerber stand unter dem Titel «Mit Prioritäten zum wirtschaftlichen Erfolg». Die Referentinnen und Referenten präzisierten ihre Aussagen zu verschiedenen Erfolgsfaktoren und beantworteten Fragen aus dem Publikum.
Aus den Ländern
Die Mittagspause nutzten die Tierärztinnen und Tierärzte zum angeregten Austausch – für einmal sprachen sie nicht über Fälle aus der Praxis, sondern über Wirtschaftsfragen. Der Nachmittag stand im Zeichen der drei organisierenden Länder. Bettina Hohermuth, leitende Tierärztin an der Tierarztpraxis Animed, und Flurin Tschuor, Teilinhaber der Tierklinik Mittelland AG, diskutierten mit Céline Fasel von der GST-Geschäftsstelle über die Erwartungshaltungen des Personals. Beide sind überzeugt: Wer seinen Angestellten faire Arbeitsbedingungen gewährt, kann sie halten. Das schaffe einen guten Ruf und führe dazu, dass Stellen einfacher zu besetzen seien.
Maren Püschel von der Kleintierklinik Wasbek – der nördlichsten Kleintierklink Deutschlands – sagte: «Wenn wir die mentale Gesundheit unserer Angestellten fördern, wirkt sich das wirtschaftlich positiv aus.» Denn es fielen weniger Krankheitstage an, und das Unternehmen sei als Arbeitgeberin attraktiv.
UEVP-Präsident Volker Moser und ÖTK-Vizepräsident Dietmar Gerstner zitierten aus einer Umfrage unter österreichischen Tierärztinnen und Tierärzten. Diese zeigte, dass viele Tierärztinnen und Tierärzte Mühe haben, Kosten richtig zu kalkulieren und zu verrechnen. Somit ist wohl ein weiteres Wirtschaftsforum nötig. Der Handlungsbedarf in wirtschaftlichen Fragen und die zahlreichen positiven Rückmeldungen zum Forum veranlassen die drei Dachverbände, ein erneutes Wirtschaftsforum im Jahr 2024 zu prüfen.